Gesichter – Welten
Hinterglasmalerei
Carlo Domeniconi beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit der Malerei hinter Glas. Bereits in den 80er Jahren begann er, mit Azetatfolien zu experimentieren und zu arbeiten, bevor er später zur Hinterglasmalerei fand. Seither hat Domeniconi zahlreiche Werke und Werkgruppen in dieser Technik geschaffen. 2004 zeigte er zum ersten Mal eine größere Auswahl seiner Arbeiten in der Galerie Sporting Club in Valencia. Weitere Ausstellungen folgten in der Schweiz, wie in der Kunsthalle VEBIKUS und der Galerie Mera in Schaffhausen. 2012 war er in einer Gruppenausstellung mit einer Auswahl seiner Werke im Vitromusée Romont präsent.
Ausgediente Bilderrahmen, gefundene Scheiben oder alte Fenstergläser sind für ihn Inspirationsquelle. Er sagt, die gefundenen Gläser würden ihm zuflüstern, was er darauf malen müsse. Er trägt die Farbe für seine Figuren und Flächen in mehreren Schichten auf. Diese Vielschichtigkeit und die besondere Intensität der Farbe, die durch die unmittelbare Nähe zum Glas entsteht, verleihen den Bildern Tiefe und Dynamik. Die Hinterglasmalerei erfordert eine Umkehrung der Malweise, das heisst, was zuvorderst erscheinen soll, muss zuerst gemalt werden. Bei einem Portrait müsste man zum Beispiel das Glanzlicht im Auge zuerst malen und erst danach Iris und Pupille. Oder man müsste zuerst signieren, bevor man das Bild gemalt hat. Dafür ist ein gesundes Selbstvertrauen gefragt. Eine weitere Eigenart dieser Technik ist, wie bei der Druckgrafik, dass man spiegelverkehrt arbeiten muss, wenn das Motiv dies erfordert.
Eine Inspiration für die aktuellen Arbeiten gewann Domeniconi bei der Lektüre eines Buches von Claudio Magris («Microcosmo», Garzanti, Premio Strega 1997). Darin zitiert Magris einen Text des argentinischen Schriftstellers José Luis Borges. Da Domeniconis Ausgabe auf Italienisch ist, ist der Text von Borges aus dem Spanischen ins Italienische übersetzt:
«Un uomo si propone il compito di disegnare il mondo. Trascorrendo gli anni, popola uno spazio con immagini di province di regni, di montagne, di baie, di navi, d’isole, di pesci, di dimore, di strumenti, di astri, di cavalli e di persone. Poco prima di morire, scopre che quel paziente labirinto di linee traccia l’immagine del suo volto.»
(«Ein Mann stellt sich die Aufgabe, die Welt zu zeichnen. Im Laufe der Jahre bevölkert er einen Raum mit Bildern von Provinzen, Königreichen, Bergen, Buchten, Schiffen, Inseln, Fischen, Wohnstätten, Werkzeugen, Himmelskörpern, Pferden und Menschen. Kurz vor seinem Tod entdeckt er, dass dieses geduldige Labyrinth von Linien das Bild seines Gesichtes zeichnet.»)
Der Mensch verbringt sein Leben damit, Erfahrungen zu sammeln, Wissen anzuhäufen und die Welt um sich herum zu gestalten. Die Linien, die er dabei zeichnet, können als Pfade und Wege des Lebens gelesen werden. Unsere Handlungen und Entscheidungen werden zu einem Teil eines Selbstporträts und so zu einem Spiegel unserer selbst. Die Metapher des «geduldigen Labyrinths von Linien» verdeutlicht, wie vielschichtig das Leben ist, und dass die Summe unserer Erfahrungen und Handlungen zu einem komplexen Bild führt, das letztendlich unsere Identität ausmacht.
Ausgehend von diesen Gedanken und, wie er sagt, «seiner Sammlung an verwertbaren Scherben», entwickelt Carlo Domeniconi seine aktuellen, allesamt im Jahr 2023 entstandenen, Hinter-Glas-Arbeiten.
Zuerst realisierte er die für ihn charakteristischen Janusköpfe, die für Anfang und Ende, Ausgang und Eingang, die Widersprüchlichkeit des Menschen stehen. Die farbigen Streifenbilder malte er mit der Absicht, Unendlichkeit zu suggerieren und auch, wie oben erwähnt, die Lebensbahnen des menschlichen Daseins zu visualisieren. Carlo Domeniconi nennt sie humorvoll: «Im-Schweisse-meines-Angesichts-Fantasien».
Werkliste:
Finissage, Samstag, 27. Januar 2024, 14 bis 16 Uhr
Katalog