Ausstellung

JAN CZERWINSKI: FeldFolgen
4.05.2024 - 25.05.2024

Vernissage: Samstag, 4. Mai 2024, 15 bis 17 Uhr

Vermessung der Kulturlandschaft

Wenn ich Jan Czerwinskis Landschaftsbilder aus den letzten zwei Jahren 2022 bis 2024 anschaue, habe ich das Gefühl, einen Flugsimulator zu bedienen und die Landschaft hinter dem Fenster des Cockpits einerseits gestochen scharf, andererseits auch malerisch verschwommen zu sehen. Es kommt mir vor, als ob ich als Avatar auf Google Earth herumspazieren würde. Vor mir steigen in steiler Abfolge die Felder und Gesteinsformationen in polyedrischen Flächen auf. Darüber liegt der blaue Himmel, der oft mit dramatischen Regenwolken in Grau verhangen ist. In den «Schutzzonen» (2023) sehe ich die ganze Palette an Farben aus der Natur mit geraden Linien abgezirkelt auf der Bildfläche. Der «Riegelmonolith» (2023) konzentriert sich auf die Einschlüsse im Gestein. Der «Rote Berg» (2023) zeigt das Malerische einer trockenen sommerlichen Hügellandschaft. Die Landschaften in Jan Czerwinskis Ausstellung «FeldFolgen» zeigen die Künstlichkeit der ästhetischen Darstellung von Natur. Seine Darstellungen muten an wie Golfplätze, Landschaftsgärten, bäuerliche Nutzflächen, Steinbrüche. Es sind vom Menschen gestaltete Landschaften, die in der Raumplanung mit verschiedenen Zonenfarben erfasst sind oder in geologischen Karten als Decken aufscheinen, die je nach Alter schöne bunte Farben und tolle Muster tragen. Selbst die Schatten der Wolken sind als dunkler gehaltene Flächen erkennbar.

Die Betrachtung von Jan Czerwinskis Landschaftsbildern verraten sofort das Konstruierte, das vom Menschen Gemachte, obwohl seine Art die Landschaft zu malen ohne Menschen ist, es sind keine Architekturen zu sehen, keine Häuser, nur Strassen oder besser Pfade und Wege, Flussläufe, Meeresufer und Fels. Die Elemente sind scharf in den Vordergrund gerückt oder rein als monochrome Fläche präsent, dass ich die visuellen Gestaltungsmöglichkeiten von Computerprogrammen evoziere. Dabei liege ich jedoch oft weit daneben mit meiner Referenz. 

Auf Jan Czerwinskis Arbeitstisch im Atelier liegt ein Farbdruck eines Bildes des flämischen Malers Joachim Patinir (um 1480-1524) aus der frühen Neuzeit, auf dem hohe Felsen unter einem mit dunklen Regenwolken verhangenen Himmel aufragen und das den Eremiten Hieronymus in sehr kleiner Grösse am unteren Bildrand in seiner Hütte an einem Höhleneingang sitzend aufzeigt. In der Geschichte der flämischen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts wurden erstmals sogenannte ‘Weltlandschaften’ geschaffen, welche die eigentlichen Themen der Bilder – ein Heiliger, ein Bauernhof oder eine Stadt – als Notiz, an den Rand oder auf einer Felsplattform zusammengedrängt – behandeln. Die dramatisch gestaltete Landschaft nimmt mehr und mehr den ganzen Bildraum ein, und die kontrastierend gesetzten Farbtöne spielen das Konzert der Harmonien und Dissonanzen. Die Landschaft rückt in den Vordergrund. 

Das ist auch in der jüngsten Malerei von Jan Czerwinski geschehen. Der Künstler setzt die in der Geschichte der Malerei verwendete Luftperspektive ein, indem er den Raum des Bildes oft in drei Farbebenen unterteilt; für die Felsmotive oder Äcker sehen wir Braun, Grau und Ocker als nebeneinander ausgebreitetes Muster von Feldern. In der mittleren Ebene finden wir Grün und Gelb für Wiesen und Feldern, das Blau und Grau gestalten Flüsse und Seen und den weit nach hinten gerückten Himmel und Horizont.

Der Künstler Jans Czerwinski bewahrt die Sichtbarkeit der Gesamtheit der Details mit einer Akribie und Kostbarkeit, die den Spaziergänger mit dem Skizzenheft in der Moränenlandschaft um Uster oder in den schottischen High Lands verraten. Aber auch sein Wissen um technische Erkenntnisse von neuen Bildmedien sind in seine Arbeitsweise eingeschlossen.

Jan Czerwinskis Bilder sind von fantastischen, bizarren Felsformationen, Hügeln, Feldern und Flussläufen geprägt. Seine Landschaftsbilder benutzen somit ein szenisches Geschehen als «Vorwand» für die Darstellung einer modellhaft gesehenen Landschaft. Eine zeitgenössische Weltlandschaft also. Jan Czerwinski fasst mit seinen Bildern das zusammen, was wir die Vermessung des künstlerischen Landschaftsraumes nennen könnten.            

Sibylle Omlin, Frühling 2024

Sibylle Omlin ist Autorin und Kuratorin von zahlreichen Ausstellungen und Publikationen zu Kunst in der Landschaft, Werken im öffentlichen Raum, Malerei, Oral history und Performance. Seit 1991 als Kunstjournalistin, Autorin und Kuratorin tätig. Feste Anstellungen: 1996–2001 redaktionelle Mitarbeiterin bei der Neuen Zürcher Zeitung. 2001–2009 Professorin/Institutsleiterin am Institut Kunst der HGK Basel der Fachhochschule Nordwestschweiz. 2009–2017 Direktorin der ECAV Sierre (heute EDHEA). Sibylle Omlin ist Mitglied von AICA, IGK Berlin und A*dS 

 

Führung mit Jan Czerwinski durch die Ausstellung:
Donnerstag, 16. Mai 2024, um 18 Uhr

Finissage: Samstag, 25. Mai 2024, 14 bis 16 Uhr

Evergreen, Öl auf Leinwand, 70x100cm, 2024
Monolithen und Dimensionen, Öl auf Leinwand, 140x170cm, 2022
Um den See, Öl auf Leinwand, 46x61cm, 2023
Kultplatz, Öl auf Leinwand, 100x70cm, 2024
Felstangram, Öl auf Leinwand, 130x100cm, 2023
Helmuts Acker, Öl auf Leinwand, 18x24cm, 2023
Vermessenheit, Öl auf Leinwand, 40x60cm, 2023
Roter Berg, Öl auf Leinwand, 30x24cm, 2023
Landreform Öl auf Leinwand 70x50cm 2022

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