Ausstellung

LAWRENCE GRIMM:
1.03.2024 - 23.03.2024

100 Seconds of Drawing a Vortex that Catapults you into a New Dimension

Lawrence Grimm (*1978, Zürich) ist Cartoonist. Und damit Vertreter einer Kunst, die grosse Gedanken in kleine Zeichnungen giesst. Einer Kunst, die viel mehr mit Denken und viel weniger mit Zeichnen zu tun hat, als gemeinhin angenommen wird. Die eigentliche Fertigkeit, die Lawrence Grimm zu einem Meister seiner Kunst macht, ist die der Reduktion.

Dank ihr kann er sich getrost an jedes Thema wagen, von den Widerhaken des Alltags bis zu den letzten Fragen unserer Existenz. Ein Blatt Papier, etwas Tinte und eine unspektakuläre, aber wirkungsvolle Zeichentechnik reichen ihm aus, um den Nagel nicht nur auf den Kopf zu treffen, sondern gleich bis zum Anschlag einzuhauen. Wir sehen: schwarzes Blatt, kleiner weisser Punkt. «If a lonely snowflake falls, is it snowing?» – Ob es schneit, wenn eine einzelne Schneeflocke fällt, fragt die Bildunterschrift. Da kann ich als Leser:in weiterblättern, oder – was wahrscheinlicher ist – ins Grübeln kommen. Grimms gleichzeitig konzentrierte und randlose Kunst lässt innehalten und ihre Leichtigkeit öffnet einen für alles, was hinter der ersten Pointe verborgen ist. Hinter vermeintlich unbedeutenden Ereignissen schwerere Themen aufscheinen zu lassen oder ganz grosse Fragen auf mundgerechte Formate zu komprimieren, sind Kniffe aus Grimms gut gefüllter Trickkiste.

Manchmal genügt dem Künstler aber auch eine Portion skurrilen und schrägen Humors. Wir sehen: Querschnitt durch Baum mit Spechthöhle. Diese ist ein grosses Labyrinth, in der Höhle am schwer zu findenden Ende wartet vergnügt der Specht. «The Love Nest of Walter the Woodpecker» – Das Liebesnest von Walter dem Specht, erklärt die Bildunterschrift.

Eine experimentelle Versuchsanordnung sind Grimms selbstgestellte Aufgaben, auf die er mit einem Feuerwerk an Ideen antwortet. So gibt er sich zum Bespiel in der Serie «Drawn in 100 Seconds» pro Bild genau 100 Sekunden Entstehungszeit. Am Ende ist ein Bilderreigen mit einem eigenen Bezugssystem erschaffen, dessen einzelne Repräsentanten nach ähnlichen Codes funktionieren. Wir sehen: ein Blatt Papier, auf dem ein irrlichternder Tuschestrich endlos gegen den Blattrand strebt, diesem entlangfährt und wieder ins Zentrum stürzt. «100 seconds of a pen trying to escape the paper» – 100 Sekunden, in denen ein Stift versucht, dem Blatt zu entkommen, verkündet die Bildunterschrift.

Obwohl die schon entstandenen Zeichnungen des Künstlers wohl erst den Kern eines nach allen Richtungen offenen Werks bilden, ist dieser lakonische Kosmos von Einfällen schon jetzt völlig eigenständig. Wie Saul Steinberg, Gary Larson, Christoph Niemann, David Shrigley oder andere geistesverwandte Meister:innen seiner Kunst, begegnet erunserer überkomplexen und chaotischen Welt mit den Mitteln der Vereinfachung, Verdichtung, Ordnung und Ironie und einer sehr persönlichen, unverkennbaren Form und Tonalität.

Lawrence Grimm hat nach Theaterjahren und einem Filmstudium das zeichnerische Erzählen von Geschichten zu seinem Metier gemacht. Als ehemaliger Verlagsleiter und Mitherausgeber des innovativen Comicmagazins Strapazin war er ganz nah dran am aktuellen Geschehen der narrativen Kunst. Publiziert in Magazinen und Zeitungen, und und mehrfach ausgezeichnet, tritt er heute vor allem als Künstler in Ausstellungen auf. Seine Experimentierfreude hat ihn aber immer wieder auch in anderen Zusammenhängen arbeiten lassen. Er gestaltet Hauswände oder Passagen, die seine Zeichnungen farbig und räumlich werden lassen. Oder er sammelt achtlos Weggeworfenes ein, und baut aus den Funden Objekte wie beispielsweise einen Lichtschalter, der unsere Vergangenheit verändern kann. Auch wenn Lawrence die Zeichnung verlässt und mit anderen Medien arbeitet, sind es sein leichtfüssiger und hintergründiger Witz und seine unangestrengte, überbordende Phantasie, die alles zusammenhalten. Beidem begegnen wir in der Ausstellung oder in konzentrierter Form im vorliegenden Katalog, dessen Lektüre magischerweise viel länger wirkt, als sie dauert. «I think, I think, I’m merely ink» lässt Grimm eine Tintenfleckfigur sagen. Wir wissen, dass da mehr ist.

Anette Gehrig ist seit 2008 Direktorin und Kuratorin am Cartoonmuseum Basel – Zentrum für narrative Kunst. Sie kuratierte u.a. Ausstellungen mit Christoph Niemann, Joe Sacco, Aline & Robert Crumb, Chris Ware, Posy Simmonds und Catherine Meurisse und ist Herausgeberin von Publikationen. Die Ausstellungen im Cartoonmuseum Basel widmen sich der gesamten Bandbreite der narrativen Kunst und berühren verwandte Gebiete wie Animation und freie Kunst.

2024_3_1_Werkliste

Finissage: Samstag, 23. März 2024, 14 bis 16 Uhr

14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier
14 x 9 cm, Tusche auf Papier

Katalog