Wald, Wiese, Bach, Regenwasser, Wegrand, Weg. Die Titel der neuen Bilder von Ursula Steinacher sind simpel und lapidar. Sie benennen das Motiv, das auf der Leinwand gemalt ist. Doch ist das was man sieht auch wirklich das was die Künstlerin gemalt hat?

Tatsächlich sind auf den Bildern Baumstämme zu sehen. Filigrane Äste mit Blattwerk. Gräser und blühende Feldblumen. Am Wegrand wachsende Wildpflanzen. Geröll in reissendem Wasser. Unkraut, sich in einer Pfütze spiegelnd. Doch die Naturdinge sind nicht so gemalt, dass sie mit einem einzigen Wort wie es der Bildtitel suggeriert, vollständig bezeichnet sind. Ursula Steinachers Malerei ist kein Fotorealismus, wie ihn etwa Franz Gertsch in seinem berühmten Jahreszeitenzyklus auf die Spitze treibt und jedes Detail der immer gleichen Waldlichtung erkennbar und überprüfbar wiedergibt.

Ursula Steinachers Bilder sind jedoch ebenso reich an Details und in grosser Konzentration gemalt wie diejenige des grossen Realisten. Ebenfalls sind ihre Sujets von realen Begebenheiten hergeleitet, da auch bei ihr eine Fotografie Ausgangspunkt eines Gemäldes ist. Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich Steinachers Realismus als Fiktion. Zwar projiziert die Künstlerin das Motiv auf den grundierten Baumwollgrund. Hält es mit schwarzem Stift skizzenhaft fest. Trägt Farbe auf und überprüft die Richtigkeit der chromatischen Wiedergabe bei Tageslicht. Doch schon während des Malprozesses beginnen sich die Pinselstriche zu verselbständigen. Sie gewinnen sozusagen ein Eigenleben und das figurative Motiv verwandelt sich in abstrakte Malerei: Das Geäst der Bäume mutiert zu einem linearen Geflecht. Blühende Blumen verselbständigen sich zu leuchtenden Farbpunkten. Sonnenflecken dehnen sich zu unscharfen Formen aus. Räumliche Tiefe kippt in die Fläche.

Führung durch die Ausstellung mit Ursula Steinacher um 14 Uhr und
Finissage, Samstag, 7. November 2020, 14 – 16 Uhr